F. Hoffmann u.a.: Die Stele des C. Cornelius Gallus

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Titel
Die dreisprachige Stele des C. Cornelius Gallus. Übersetzung und Kommentar


Autor(en)
Hoffmann, Friedhelm; Minas-Nerpel, Martina; Pfeiffer, Stefan
Reihe
Archiv für Papyrusforschung und verwandte Gebiete, Beihefte 9
Erschienen
Berlin 2009: de Gruyter
Anzahl Seiten
VIII, 225 S., 14 Tafeln
Preis
€ 69,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Timo Stickler, Institut für Geschichte, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Die auf der ägyptischen Insel Philae gefundene dreisprachige Stele des C. Cornelius Gallus ist gleich in mehrerlei Hinsicht ein bedeutendes Monument der Vergangenheit. Da sie unmittelbar nach der Eroberung Ägyptens durch Oktavian, am 16. April 29 v.Chr., errichtet worden ist, stellt sie eines der frühesten Zeugnisse für die Beherrschung des Nillandes durch die Römer da. Der durch die Inschrift verherrlichte C. Cornelius Gallus war der erste ritterliche Präfekt, der im Namen des nachmaligen Kaisers Augustus in Ägypten die Herrschaft ausübte und damit eine Verwaltungstradition begründete, die bis in die Spätantike reichen sollte. Darüber hinaus war Gallus kein gewöhnlicher imperialer Funktionsträger; in der antiken Tradition gilt er als Schöpfer der lateinischen Liebeselegie 1, und tatsächlich sind, nicht weit von Philae entfernt, Bruchstücke seiner Dichtungen auf einem Papyrus entdeckt worden.2 Obwohl er sich während des Bürgerkrieges gegen Mark Anton an vorderster Stelle ausgezeichnet und einiges zum Siege Oktavians beigetragen hatte, fiel er wohl im Jahre 27 v.Chr. bei seinem Gönner und Freund in Ungnade und beendete sein Leben, von Verleumdungen und Prozessen bedrängt, mit eigener Hand.

Es verwundert vor diesem Hintergrund nicht, dass die dreisprachige Stele von Philae vom Zeitpunkt ihrer Auffindung im Jahre 1896 an die Wissenschaft immer wieder beschäftigt hat. Eine reiche Forschungsliteratur ist darüber entstanden; gerade in jüngster Zeit hat das Interesse der Wissenschaft an dem eigentümlichen Siegesmonument wieder zugenommen, bietet es doch eine einzigartige Chance, Einblicke in die Anfänge der römischen Herrschaft in Ägypten und deren Rezeption durch die einheimischen Priesterschaften zu gewinnen. Ein erschwerender Umstand war freilich bisher, dass der griechische und lateinische Text der Trilingue zwar seit längerem durch gute Editionen erschlossen sind, der Hieroglyphentext hingegen immer noch in der von Adolf Erman 1896 besorgten editio princeps benutzt werden musste.3 Es ist eines der wichtigsten Ergebnisse des hier besprochenen Buches von Friedhelm Hoffmann, Martina Minas-Nerpel und Stefan Pfeiffer, dass dieser Makel nun behoben worden ist.

Nach einer kurzen Einleitung (S. 1–18), die der Forschungsgeschichte gewidmet ist und darüber hinaus Informationen zur Person des Gallus, zum Fundkontext der Stele und zu deren Beschreibung bietet, wenden sich die Autoren zunächst der Reiterdarstellung im Bildfeld der Stele und ihrer hieroglyphischen Beischrift zu (S. 19–44). Es folgt eine ausführliche Besprechung der ägyptischen Inschriften der Stele (S. 45–118). Die sehr sorgfältige Edition kann nunmehr als maßgebend gelten und wird rasch an die Stelle der verdienstvollen editio princeps Ermans treten. Der umfangreiche Kommentar der Autoren geht auf Belange der Paläographie und Sprache ebenso ein wie auf philologische, religiöse und historische Zusammenhänge; er ermöglicht damit auch dem Nichtägyptologen ein tieferes Eindringen in die Besonderheiten des Textes. Im Anschluss an den hieroglyphischen Teil der Inschrift widmen sich die Autoren dem lateinischen und griechischen Text der Trilingue (S. 119–172). Auch hier folgt auf die Präsentation der Texte ein satzweise fortschreitender Kommentar. Eine knappe Gesamtsynthese der Ergebnisse der Autoren (S. 173–176), ausführliche Indizes (S. 177–193) und eine Bibliographie (S. 195–225) beschließen das Buch. Ein beiliegender Anhang von vierzehn Tafeln präsentiert neue Photographien der Inschrift und anderes Bildmaterial.

Die Neuedition und die Kommentierung der dreisprachigen Stele des C. Cornelius Gallus bieten eine Fülle von neuen Erkenntnissen und offerieren plausible Lösungen für so manches lange Zeit diskutierte Forschungsproblem. Ich beschränke mich hier auf einige wenige Bemerkungen: Der auf der Stele abgebildete Reiter stellt den Statthalter Gallus dar. Er wird auch namentlich in der Beischrift genannt, freilich als Untergebener seines Herrn, des „Pharao“ Oktavian. Gallus wird im ägyptischen Text als wr („Großer“) bezeichnet. Die Beschreibung seiner Machtstellung in Ägypten ähnelt derjenigen Ptolemaios’ I. auf der sogenannten Satrapenstele des Jahres 311 v.Chr.; auch dieser fungierte als wr des „Pharao“ Alexander IV. (besonders S. 31–40).

Da Gallus sowohl in den ägyptischen als auch in den griechischen und römischen Textpassagen eindeutig als Untergebener des Oktavian agiert, kann von einer Herrschaftsanmaßung des Statthalters gegenüber dem Sieger von Actium keine Rede sein. Auch die hellenistischen Vorbildern folgende Darstellung des Präfekten hoch zu Ross ist zwar im ägyptischen Kontext ungewöhnlich, aber nicht notwendigerweise so anstößig, dass sich daraus sein Sturz erklären würde (besonders S. 19–31). In einem Teil unserer Überlieferung wird Gallus vorgeworfen, seine Befugnisse als Statthalter überschritten und zu große Ruhmredigkeit in eigener Sache an den Tag gelegt zu haben.4 Weder Text noch Bild der dreisprachigen Stele von Philae können hierfür als eindeutiges Zeugnis in Anspruch genommen werden (so die Zusammenfassung auf S. 41–44).

Der hieroglyphische Haupttext stellt keine Übersetzung des griechischen und lateinischen Textes dar. Es handelt sich hierbei um einen traditionellen ägyptischen „historischen“ Text, der allerdings durchaus auch aktuelle Bezüge aufweist. Er ist nicht zuletzt ein Zeugnis dafür, wie die lokalen ägyptischen Priesterschaften sich gegenüber den neuen römischen Herren positionierten und sie für ihre eigenen Interessen einzuspannen versuchten. Die Autoren haben große Anstrengungen unternommen, die Genese der drei Texte nachzuvollziehen und ihr Verhältnis zueinander aufzuklären und sind hier zu vielen bedenkenswerten Einzelbeobachtungen gelangt (besonders S. 50–64 u. 121–126).5 Die Tatsache, dass die Trilingue von Philae bereits kurze Zeit nach ihrer Aufstellung im Altar des neu errichteten Augustustempels verbaut worden ist, darf nicht als damnatio memoriae missverstanden werden (besonders S. 40). Die Bautätigkeit an der Südgrenze Ägyptens war gerade zu Beginn der römischen Herrschaft über das Nilland sehr rege. Auch an anderer Stelle (etwa im nicht weit von Philae entfernten Kalabscha) sind frisch errichtete Bauten bereits nach kurzer Zeit abgebrochen und neu verwendet worden, ohne dass es dafür eines innenpolitischen Zerwürfnisses bedurft hätte (besonders S. 37f.).

Diese rege Bautätigkeit hängt im Übrigen gerade damit zusammen, dass der von Gallus eroberte Süden Ägyptens nebst den angrenzenden Gebieten (Thebaïs, Dodekaschoinos und Triakontaschoinos) in den 20er-Jahren v.Chr. alles andere als ungefährdet war. Auch in diesem außenpolitischen Fragenkomplex haben die Autoren Position bezogen, indem sie das Verhältnis zwischen dem König von Meroë und dem siegreichen Statthalter Gallus als persönliches Klientelverhältnis interpretieren. Die südlich des ersten Kataraktes gelegene Triakontaschoinos sei von Gallus zwar einem einheimischen Würdenträger zur Verwaltung übertragen worden, sie sei trotzdem aber ein integraler Bestandteil der römischen Provinz Ägypten gewesen (so ausführlich S. 141–161).

Friedhelm Hoffmann, Martina Minas-Nerpel und Stefan Pfeiffer haben mit ihrer Edition der Trilingue von Philae Wichtiges geleistet. Ihre Ergebnisse sind in den meisten Fällen überzeugend und selbst da, wo es auch in Zukunft Diskussionsbedarf geben wird – etwa in Bezug auf das staatsrechtliche Verhältnis zwischen dem Präfekten von Ägypten, dem tyrannus der Triakontaschoinos und dem König von Meroë – wird man nicht umhin kommen, sich mit ihren wohlerwogenen Argumenten auseinanderzusetzen. Zu kritisieren gibt es nicht viel: Ungenauigkeiten finden sich selten;6 und diese ändern nichts am inhaltlich wie formal rundum positiven Gesamteindruck des Buches.

Anmerkungen:
1 Vgl. Ov. trist. 4,10,53.
2 Vgl. R. D. Anderson / P. J. Parsons / R. G. M. Nisbet, Elegiacs by Gallus from Qasr Ibrîm, in: Journal of Roman Studies 69 (1979), S. 125–155.
3 Vgl. Henry George Lyons / Ludwig Borchardt, Eine trilingue Inschrift von Philae. Sitzungsberichte der Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 20 (1896), S. 469–482.
4 Siehe bes. Cass. Dio 53,23,5–7.
5 Vgl. auch künftig Friedhelm Hoffmann, Lost in Translation? Beobachtungen zum Verhältnis des lateinischen und griechischen Textes der Gallusstele, in: Katja Lembke / Martina Minas-Nerpel / Stefan Pfeiffer (Hrsg.), Tradition and Transformation. Egypt under Roman Rule, Leiden 2010 (im Druck).
6 Epirota verkehrte familiarissime (Suet. gramm. 16) mit Gallus; das Wort „intime Beziehung“ (so S. 7f.) weckt hier falsche Assoziationen; hier und da gibt es ein Versehen (es heißt „Bastarner“; vgl. S. 149 u. 171) und bisweilen eher ungeläufige Ausdrücke (Transpadania auf S. 5, vor allem aber iussus auf S. 142, 170 u. 172).

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